Bio­gra­fie

Das nach vorn drän­gende, laute Motiv ist Sebas­tian Wei­ses Sache nicht. Die Bild­welt des Thü­rin­ger Künst­lers (* 1975) ist eine ver­in­ner­lichte. Sie glaubt an die Besee­lung der Dinge und ver­leiht die­sen in der Bild­aus­sage sei­ner Foto­gra­fie eine Spra­che. Unter sei­nem Blick wer­den im Vor­ge­fun­de­nen exis­ten­ti­elle The­men berührt und frei­ge­legt, sei es in Makro­struk­tu­ren wie Land­schaf­ten und Häu­sern oder im Mikro­kos­mos eines ein­zel­nen Gegen­stan­des. Die Kamera sucht sich dabei nicht eine spek­ta­ku­läre, insze­na­to­ri­sche Ansich­tig­keit, son­dern regis­triert mit Dis­tanz, ohne jeden exter­nen Ein­griff. Wenn Wei­ses Bil­der den­noch visu­ell stim­mig sind und über­zeu­gen, dann dadurch, dass den Moti­ven Raum gelas­sen ist, sich im gewähl­ten Aus­schnitt – und in der Ima­gi­na­tion des Betrach­ters – ganz indi­vi­du­ell zu ent­fal­ten und über alle Skur­ri­li­tät hin­aus ihren Wesens­kern zu offen­ba­ren.
Ein Haupt­werk von Sebas­tian Weise ist die im Zeit­raum von fünf Jah­ren ent­stan­dene Serie „Ästhe­tik des Auf­ge­bens“, die in den Räu­men auf­ge­las­se­ner und dem Ver­fall preis­ge­ge­be­ner Häu­ser den Spu­ren ihrer ehe­ma­li­gen Bewoh­ner nach­geht und ihnen mit melan­cho­li­schem, mit­un­ter auch iro­ni­schem Blick folgt. Jenes Thema des Memento mori ist auch titel­ge­bend für eine Folge aus Auf­nah­men gefäll­ter Baum­stämme, deren Quer­schnitte mit ihren Jah­res­rin­gen bei grund­sätz­li­cher Ähn­lich­keit doch jeweils eine dem mensch­li­chen Ant­litz ver­gleich­bare ganz indi­vi­du­elle Struk­tur auf­wei­sen. Die dritte große Serie, „20 Uhr am Ron­dell – San­d­ros letz­ter Weg“, zeich­net den letz­ten Weg eines Fünf­zehn­jäh­ri­gen nach, der 1993 von einer Gruppe Sieb­zehn­jäh­ri­ger in einen Wald ober­halb ihrer Hei­mat­stadt Sonderhausen/Thüringen gelockt und dort erdros­selt wurde – eine erschüt­ternde Doku­men­ta­tion gesell­schaft­li­cher Abgründe und mensch­li­cher Ver­ro­hung, jedoch aus der Sicht des arg­lo­sen Opfers.
Wie not­wen­dig eine Aus­ein­an­der­set­zung mit dem ange­spro­che­nen The­men­kom­plex ist, zeigt die bis­he­rige Rezep­tion der „Sandro“-Serie am Ort des Gesche­hens. Die berüh­ren­den Foto­gra­fien von Sebas­tian Weise ver­die­nen jedoch eine über­re­gio­nale Wahr­neh­mung, zu nach­drück­lich behaup­ten sie ihre All­ge­mein­gül­tig­keit ober­halb jeden Pro­vin­zia­lis­mus. Nach Aus­stel­lun­gen in Thü­rin­gen und Sach­sen wer­den diese bedeut­sa­men Arbei­ten nun erst­mals in Mün­chen zu sehen sein.

Cur­ri­cu­lum Vitae
1975 gebo­ren in Son­ders­hau­sen, Kyff­häu­ser­kreis, Thüringen
1995–1999 Stu­dium der Kul­tur­wis­sen­schaf­ten und Ange­wand­ten Medi­en­wis­sen­schaf­ten in Leip­zig und Ilmenau
1999– Tätig­kei­ten als Mar­ke­ting­lei­ter, Hör­funk­re­dak­teur, Publi­zist, Jour­na­list, Blog­ger, Foto­graf, Musi­ker und Kulturveranstalter
Sebas­tian Weise lebt und arbei­tet in Son­ders­hau­sen, Kyff­häu­ser­kreis, Thüringen.
Aus­stel­lun­gen (E = Ein­zel­aus­stel­lung, G = Gruppenausstellung)
2013 „20 Uhr am Ron­dell – San­d­ros letz­ter Weg“ (S), Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus, Mühlhausen
„20 Uhr am Ron­dell – San­d­ros letz­ter Weg“ (S), Veits­kir­che, Artern
„20 Uhr am Ron­dell – San­d­ros letz­ter Weg“ (S), Gale­rie Tem­po­raer, Sondershausen
Jah­res­aus­stel­lung des Kunst­west­thü­rin­ger e.V. (G), Divi-Blasii-Kirche, Mühlhausen
„Port­fo­lio vul­ga­ris“ (E), Kunst­hof, Friedrichsrode
„Ästhe­tik des Auf­ge­bens“ (S), Moritz­burg, Halle (Saale)
FÖN Kunst­preis 2013 (G): „Ger­nika“, Zug­ha­fen, Erfurt
2012 Jah­res­aus­stel­lung des Kunst­west­thü­rin­ger e.V. (G), Gale­rie Dry­burg, Bad Langensalza
„Pfaf­fe­rode“ (S), Kunst­hof, Friedrichsrode
„Ästhe­tik des Auf­ge­bens“ (S), Gale­rie Dry­burg, Bad Langensalza
„Ästhe­tik des Auf­ge­bens“ (S), Schloss, Sondershausen
„Ästhe­tik des Auf­ge­bens“ (S), West­werk, Leipzig
FÖN Kunst­preis 2012“ (G): „Memento Mori“, Klub­haus der Ener­gie­ar­bei­ter, Erfurt
2011 „Memento Mori“ (E), Kunst­hof, Friedrichsrode
2010 „Ästhe­tik des Auf­ge­bens“ (S), Kunst­hof, Friedrichsrode
2008 „Ästhe­tik des Auf­ge­bens“ (S), Jako­bi­kir­che, Mühlhausen
Aus­stel­lungs­be­tei­li­gun­gen
2013, 2012 FÖN-Kunstpreis Erfurt
Biblio­gra­fie
2013 Andrea Hell­mann: „Leise Erin­ne­run­gen“, in: Thü­rin­ger Allgemeine/Sonderhäuser All­ge­meine v. 29.4.2013, S. 1
„Leer­stand — Foto­gra­fien aus ver­las­se­nen Räu­men von Sebas­tian Weise“, mdr.de (5.6.2013)
Sebas­tian Weise: „20 Uhr am Ron­dell – San­d­ros letz­ter Weg“, Son­ders­hau­sen (Selbst­ver­lag) 2013
Sebas­tian Weise: „Mut­ter­blut­bu­che“, Son­ders­hau­sen (Selbst­ver­lag) 2013
„Spu­ren in ver­las­se­nen Häu­sern“, zeit.de (1.2013)
Willi Wil­helm: Rezen­sion zu „Ästhe­tik des Auf­ge­bens“, in: Pho­to­gra­phica Cabi­nett 58 (2913) S. 75
2012 Sebas­tian Weise: „Memento Mori“, Son­ders­hau­sen (Selbst­ver­lag) 2012
Hen­ryk Gold­berg: „Sebas­tian Wei­ses Aus­stel­lung ‚Ästhe­tik des Auf­ge­bens‘ in Bad
Lan­gen­salza“, thueringer-allgemeine.de (10.8.2012)
Sebas­tian Weise: „Ästhe­tik des Auf­ge­bens“, Halle 2012
2011 Kalin Kruse: „Sebas­tian Weise: besen­rein. Ästhe­tik des Auf­ge­bens“, dienacht-magazine.com (15.10.2011)

Port­fo­lio

Sebas­tian Weise

Sebastian Weise

Foto: Adrian Liebau

In mei­ner Arbeit bin ich the­ma­tisch nicht ein­ge­schränkt und will mich auch medial nicht limi­tie­ren. Gleich­wohl gilt mein künst­le­ri­sches Haupt­au­gen­merk der Foto­gra­fie. Mit beson­de­rer Freude erliege ich dem Charme gra­fi­scher Span­nungs­fel­der, der hin­ter­sin­ni­gen Augen­zwin­ke­rei schein­ba­rer Lan­ge­weile und dem über­wäl­ti­gen­den Stin­ke­fin­ger, den uns Mut­ter Natur bei Gele­gen­heit ent­ge­gen­zu­stre­cken pflegt. Karo auf Strei­fen geht also immer, eine leere Bank ist nicht leer und ein son­nen­auf­gangs­be­schie­ne­nes Nebel­wa­bern ist mir immer noch wert­vol­ler als der hellste Dis­co­blitz. Aber das Leben belehrt mich immer wie­der aufs Neue bezüg­lich mei­ner Fehl­bar­keit.“ (Sebas­tian Weise)